Gedanken
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Hab ich mich verloren?

Heiße Tränen laufen über meine geröteten Wangen. Ich starre auf die weiße Wand vor mir, ertrinke in meinen Gefühlen, die wie eine riesige Welle über mir zusammenbricht und mich mit sich zieht.

Habt ihr euch schon mal verloren gefühlt? Nicht einsam, sondern einfach irgendwie verloren?

"Du musst fühlen, fühlen um zu verarbeiten", sagt er mit einem zarten, aufmunternden Lächeln auf den Lippen.

Aber was ist, wenn ich das nicht möchte? Wenn ich nicht fühlen will, weil ich Angst davor habe? Angst vor meinen Gedanken und dem immer währenden Gedankenkarussell, von dem ich es einfach nicht schaffe, abzuspringen?

"Ich kenne niemanden, der sein Herz so sehr auf der Zunge trägt, wie du." Ich lächle, verlegen und wende den Blick ab. 

Wieso verdränge ich sie trotzdem? All diese Gefühle und Gedanken, sperre sie weg in eine sicher verschlossene Truhe, um sie ganz hinten in meinem Kopf zu verstauen. Dorthin, wo niemand ran kommt, nicht einmal ich selbst.

Gefühle erleben, durchleben, leben, ist ein Prozess der Heilung. Nur wer verarbeitet, kann auch heilen. So heißt es zumindest. Ich hingegen verdränge sie, diese Gefühle; das Chaos in meinem Kopf und meinem Herzen und schiebe den Heilungsprozess dadurch nur weiter hinaus.

Ich suche nach Ablenkung, sehne mich nach Lärm, Hektik und Trubel, weil es mich am Nachdenken hindert. Ich meide Stille, meide das Alleinsein, obwohl ich eigentlich gerne alleine bin. Manchmal zumindest.

Ich vermisse mich; mich, ohne dieses Gedankenchaos.

Ich habe mich verloren, so ein bisschen. Und auf der Suche nach mir selbst stoße ich immer wieder aufs Neue an meine emotionalen Grenzen. Ich denke zu viel; überdenke, zerdenke …

Dabei möchte ich einfach nur loslassen. Möchte die Eisenstange des Gedankenkarussells loslassen und abspringen. Ich möchte mehr im Hier und Jetzt sein, statt in irgendwelchen Szenarien, die sich in meinen Gedanken abspielen. Ich möchte mehr auf mein Herz hören, oder auf meinen Bauch, vielleicht auch auf beides, jedenfalls weniger auf meinen Kopf. Ich dachte immer ich wäre ein Herzmensch, aber vielleicht bin ich das gar nicht. Vielleicht bin ich ein Kopfmensch.

Meine Brust fühlt sich ganz eng an; als wäre da ein Knoten, den ich einfach nicht lösen kann. Zumindest jetzt noch nicht.

Wieder starre ich auf die weiße Wand vor mir, doch diesmal lasse ich mich gedanklich davontragen. Ich reite auf einer Welle voller Erinnerungen, denke an Tanzen im Regen, spüre die Regentropfen auf meiner Haut, das breite Grinsen in meinem Gesicht und das Gefühl, das ich damals empfunden habe, nämlich, dass die ganze Welt mir gehört. Dass ich irgendwann meinen Platz in ihr finden werde. Irgendwann. Vielleicht nicht heute, vielleicht auch nicht Morgen, aber irgendwann bestimmt.

"Es braucht Zeit. Manchmal mehr, manchmal weniger. Aber je länger du dich dagegen wehrst, zu fühlen, umso länger wird es dauern." Ich lächle, ganz zaghaft. Eine vereinzelte Träne kullert über meine Wange. 
"Aber ich habe Angst", flüstere ich leise. "Ich habe Angst, mit mir und meinen Gedanken alleine zu sein. Ich kann gerade nicht alleine sein."
Er steht auf und nimmt mich in den Arm, drückt mich einmal ganz fest.
"Du kriegst das hin", sagt er leise.

Die Tränen sind mittlerweile versiegt; meine Wangen nur noch leicht erhitzt, meine Augen gerötet. Der Himmel ist ganz trüb, so wie meine Gedanken. Vereinzelt fallen Regentropfen auf die Erde, als würde der Himmel ebenfalls weinen. Wie zwei Freunde.

Heilung braucht Geduld und Zeit, vor allem aber auch Mut. Und davon sehr viel.

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