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Rezension: Cainstorm Island: Der Gejagte – Marie Golien

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Inhalt/Klappentext:

Emilios Welt ist geteilt. Auf der einen Seite das reiche Asaria. Auf der anderen Seite Cainstorm Island, überbevölkert, arm und von Gewalt zerfressen. Dort kämpft der 17-Jährige, umgeben von brutalen Gangs, gegen die Schulden seiner Familie. Eines Tages spricht ihn ein Mitarbeiter von Eyevision an und bietet Emilio einen Deal. Emilio willigt ein, sich einen Chip in den Kopf implantieren zu lassen. Dieser Chip ist an seinen Sehnerv angeschlossen und überträgt jeden Tag eine halbe Stunde lang, was Emilio sieht. Seine Videos, waghalsige Kletter- und Trainsurf-Aktionen, kommen an, die Zuschauerzahlen steigen langsam. Bis sein Leben eine unvorhergesehene Wendung nimmt: Emilio gerät in das Gebiet einer Gang und tötet einen der Anführer in Notwehr. Live und auf Sendung. Das Video verbreitet sich rasend schnell und Emilio wird zum Gejagten. Und zwar nicht nur von der Gang, sondern auch von Eyevision, die sehr eigene Pläne mit Emilio haben.

Quelle: dtv Verlag


Vielen Dank an den dtv Verlag, der mir das Buch kostenlos als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat im Austausch gegen meine ehrliche Meinung. Auch hier bleibt meine Meinung unverfälscht. Nähere Informationen hierzu findet ihr HIER.


Emilios Welt ist in zwei Teile geteilt. Auf der einen Seite gibt es das perfekte Asaria, eine Welt, voller reicher Familien, die all das besitzen, was ihr Herz begehrt; eine Welt, in der nicht nur arme, sondern auch Menschen ausgestoßen werden, die als nicht “normal” gelten. Kranke, Behinderte, Verbrecher, etc. pp. werden abgeschoben, damit das Land “rein” bleibt. Auf der anderen Seite liegt Cainstorm, die Welt von Emilio; eine Welt voller Armut, Müll, Schutt, Krankheiten, Tod, Platzmangel, Gestank … So unterschiedlich die beiden Welten auch sind, gibt es eine Sache, die sie miteinander verbindet: Eyevision, ein riesiger Internetkonzern, der es Teilnehmenden ermöglicht, eine halbe Stunde am Tag durch ihre Augen zu streamen und dadurch Geld zu verdienen, vergleichbar mit Youtube Bloggern, nur mit dem Unterschied, das Menschen wie Emilio sich nicht bei Unboxings filmen, sondern bei Dingen, die viel gefährlicher und spannender sind, immerhin ist es wichtig, so viele Zuschauer wie nur möglich zu bekommen, um auch möglichst viel Geld zu verdienen. Das Angebot von Eyevision, als lebende Kamera zu fungieren, kam Emilio also gerade recht. Seine Familie kann sich kaum über Wasser halten, doch mit Emilios Einkünften schaffen sie es zumindest, ihre Miete zu zahlen. Während Emilio die Risiken und Gefahren einfach so hin nimmt und sich täglich beim Fassaden klettern filmt, war sein Vater Serge von Anfang an dagegen, dass sein Sohn sich von ihrem größten Feind, Asaria, “versklaven” lässt.

In einem postapokalyptischen Szenario gerät Emilio in einen scheinbar ausweglosen Konflikt zwischen einer mächtigen Gang und dem wohl größten IT-Konzern dieser Welt. Diese Geschichte verdeutlicht uns die Gefahren unserer heutigen Gesellschaft und des ständigen und dauerhaften online seins. Es zeigt uns, wie skrupel- und rücksichtslos Menschen sein können, wenn es um die Anzahl der Likes und Views geht und auch wie ein einziges Programm, das Leben nicht nur beeinflussen, sondern vollends auf den Kopf stellen kann.

Die Verbreitung und Entwicklung der Technik sowie der Digitalisierung spielt in unser aller Leben eine immer größer werdende Rolle und kaum einer macht sich Gedanken darüber, welche Gefahren dies mit sich bringt. Und gerade diese Tatsache bietet unheimlich viel Stoff für neue Geschichten. Auch Marie Golien ist auf diesen Zug mit aufgesprungen und behandelt in ihrem Erstlingswerk mithin ein Thema, das aktueller nicht sein könnte.

Und dennoch … dennoch konnte mich das Buch leider nicht überzeugen.

Das Worldbuilding kommt leider zu kurz; um einiges zu kurz. Immer mal wieder werden Aspekte angerissen, aber nie wirklich zu Ende geführt. Die Idee mit diesen zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, dieser starke Kontrast zwischen arm und reich, empfand ich als unglaublich spannend und interessant, die Umsetzung allerdings weniger gelungen. Durch die fehlenden Informationen und das fehlende Worldbuilding war diese Welt für mich kaum zu greifen; nichts davon wirkte real, nicht so, als könnte es tatsächlich einmal eintreten. Ich finde dystopische Settings dann gelungen, wenn sie mir das Gefühl geben, dass es in unserer Welt einmal tatsächlich so aussehen könnte. Hier blieb dieses Gefühl leider aus. Auch die politischen und sozialen Verhältnisse wirkten irgendwie an den Haaren herbeigezogen. Wobei das Punktesystem auf Asaria schon irgendwie cool ist.

Leider hält sich die Autorin auch sehr mit ausführlichen Beschreibungen zurück. Es scheint fast so, als wäre sie während des Schreibens davon ausgegangen, dass der Leser bereits das fertige Bild in seinem Kopf hat; dasselbe Bild im Kopf hat, wie sie während des Schreibprozess. Ich hatte nicht eine Sekunde lang das Gefühl, dabei zu sein. Außerdem erschienen mir die Lösungen und Auswege, die Emilio immer wieder aus lebensgefährlichen Lagen raus reißen, als unlogisch. Vielleicht auch deshalb, weil es zu abrupt geschah und die Beschreibungen fehlten. Die Handlung wirkte sehr sprunghaft und unrealistisch; irgendwie fehlte mir hier ein roter Faden. Es wird einfach viel zu viel behauptet und viel zu wenig gezeigt. Das Gefühl blieb einfach aus; das Gefühl, zu sehen, was Emilio gerade tut. Das Gefühl, mitten drin zu sein.

Aus diesem Grund war es mir auch leider unmöglich, meine Distanz zu den Figuren zu überwinden. Sie wirkten auf mich allesamt flach, nicht authentisch genug, ohne Ecken und Kanten – sie waren einfach da, aber irgendwie auch nicht. Wie Geister ließen sie sich von der Handlung treiben. Ich kann nicht mal sagen, ob ich einen der Charaktere überhaupt sympathisch fand. Nicht wirklich. Auch auf romantischer Ebene ist bei mir einfach kein einziger Funke übergesprungen. Die Beziehungen zwischen den Figuren war meiner Meinung ebenso oberflächlich, wie meine Beziehung als Leser zu ihnen.

Ich hätte mir hier einfach viel mehr Tiefgang gewünscht; insbesondere bei einer Thematik wie dieser. Ebenso hat mir an viel zu vielen Stellen einfach die Logik gefehlt; vieles machte einfach keinen Sinn, war – trotz das es Fiktion ist – einfach zu sehr an den Haaren herbeigezogen und teilweise auch sehr klischeehaft.

Irgendwann hat mich die Geschichte dann leider vollkommen verloren; die Handlung hat mich gelangweilt und das Gefühl, unbedingt weiterlesen zu wollen, kam einfach nicht auf. Am Ende war ich einfach nur noch froh, als das Buch endlich zu Ende war. Auch mit dem Schreibstil hatte ich meine Probleme, insbesondere mit den Dialogen, die ebenso unecht wirkten, wie die Charaktere selbst.

LOHNT SICH DAS BUCH?

So schade es auch ist, leider konnte mich das Buch – unabhängig von der Wichtigkeit der Thematik und der Message – nicht packen. Trotz allem würde ich es jetzt nicht als absoluten Fehlgriff bezeichnen. Es handelt sich um einen Jugendthriller, den ich eher einem jüngeren Publikum empfehlen würde. Anspruchsvoll ist in meinen Augen leider anders und bedauerlicherweise fehlte mir hier zu viel, als das mich das Buch wirklich hätte unterhalten oder begeistern können. Ich bin froh drum, dass es immer mehr Bücher, insbesondere auch im Jugendbuchbereich gibt, die auch die Gefahren der Digitalisierung und Technik aufzeigen, denn auch hiermit gehen manche junge Menschen einfach viel zu sorglos um, dennoch haperte es meiner Meinung nach sehr an der Umsetzung. Leider wurde hier viel zu viel Potential verschenkt. Die Fortsetzung werde ich wohl nicht lesen, denn, um ehrlich zu sein, hat mich selbst der Cliffhanger am Ende ziemlich kalt gelassen.

INFOS ZUM BUCH

Autor: Marie Folien
Titel: Cainstorm Island: Der Gejagte
Verlag: dtv Verlag
Seiten: 336
Erscheinungsdatum: 28. Februar 2019
Preis: 17,95 [DE] | 18,50 [A]
Buch beim Verlag: KLICK


KATEGORIE

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Der Beitrag wurde durch die Bereitstellung des kostenlosen Rezensionsexemplares gesponsert. Fotos: IvyBooknerd / / Die Rechte an den Covern unterliegen dem jeweiligen Verlag & Designer.

4 Kommentare

  1. Liebe Ivy,

    endlich, ENDLICH komme ich nun dazu deinen Beitrag zu kommentieren!
    Ich war ja sehr begeistert von dem Buch, kann nach deinem Beitrag deine Enttäuschung aber wirklich gut nachvollziehen. Ich habe es irgendwie anders wahrgenommen, aber wenn man nicht angesprochen wird, dann ist das eben so. Deine Aspekte finde ich wie immer sehr interessant und sorgen auf jeden Fall dafür, dass ich das Gelesene noch einmal überdenke.

    Liebe Grüße
    Jill

    • Liebe Jill,

      ich danke dir für deine lieben Worte! Schön, dass ich meine Beweggründe, weshalb ich das Buch dann leider doch nicht so toll fand, offenbar nachvollziehbar dargelegt habe. Das ist mir immer sehr wichtig. Dennoch freue ich mich natürlich, dass das Buch ansonsten so gut ankommt. Es behandelt immerhin eine wichtige Thematik und umso mehr Leute es lesen, desto besser 🙂

      Liebste Grüße
      Ivy

  2. Hallo Ivy,
    mit Cainstorm Island liebäugele ich schon seit einer ganzen Weile. Das Buch steht weit oben auf meiner Wunschliste. Alleine das dystopische Setting, aber auch das Zukunftsszenario und die versprochene Spannung haben mich neugierig gemacht. Deine Kritikpunkte empfand ich als nachvollziehbar. Ich finde es schade, dass dich das Buch,trotz der hohen Erwartungen, dann leider nicht zu überzeugen wusste. Ich denke ich werde mir aber dennoch noch ein eigenes Bild machen. Mal schauen, wann ich es von der WuLi befreien kann :o)

    Liebe Grüße
    Tanja :o)

    • Hallo liebe Tanja,

      ich hoffe sehr, dass wenn du es liest, dir das Buch besser gefallen wird als mir 🙂 Bisher scheinen die meisten ja sehr begeistert zu sein 🙂 Ich wünsch dir jedenfalls ganz viel Spaß mit dem Buch!

      Liebste Grüße
      Ivy

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