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Rezension: Die Lüge – Mattias Edvardsson

Inhalt/Klappentext:

Lund, Schweden: Adam, Ulrika und Stella sind eine ganz normale Familie. Adam ist Pfarrer, Ulrika Anwältin und Stella ihre rebellierende Tochter. Kurz nach ihrem 19. Geburtstag wird ein Mann erstochen aufgefunden und Stella als Mordverdächtige verhaftet. Doch woher hätte sie den undurchsichtigen und wesentlich älteren Geschäftsmann kennen sollen und vor allem, welche Gründe könnte sie gehabt haben, ihn zu töten? Jetzt müssen Adam und Ulrika sich fragen, wie gut sie ihr eigenes Kind wirklich kennen – und wie weit sie gehen würden, um es zu schützen …


Bei diesem Buch handelt es sich nicht um ein kostenfreies Rezensionsexemplar. Bei diesem Buch handelt es sich um ein Geburtstagsgeschenk.


Hätte man mir das Buch nicht zum Geburtstag geschenkt, wäre ich vermutlich nie darauf aufmerksam geworden, dabei liebe ich gute Thriller und Krimis, je verworrener, desto besser und wenn man sich den Klappentext des Buches durchliest, dann scheint es sich bei dieser Geschichte um eine extrem spannende und sehr verworrene Geschichte zu handeln. Ich war also gleich angefixt, auch von der Tatsache, dass das Buch in Schweden spielt (eines meiner liebsten europäischen Reiseländer) und auch das Rechtssystem eine Rolle spielt. Das Buch klang absolut nach meinem Geschmack, weshalb ich auch gar nicht lange abgewartet, sondern gleich zu Lesen begonnen habe.

Der Vater ist Pastor, die Mutter Rechtsanwältin, die Tochter hat gerade die Schule beendet und arbeitet bei H&M, um sich ihr Taschengeld aufzubessern und auf ihre bereits seit langem geplante Asienreise zu sparen. Klingt also noch einer ziemlich normalen, fast schon perfekten Familie. Könnte man zumindest meinen. Doch einiges Tages steht die achtzehnjährige Stella plötzlich vor Gericht. Sie soll einen Mann brutal niedergestochen haben. Während ihr Vater eher emotional handelt und versucht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln herauszufinden, wer lügt und somit die Zukunft seiner Tochter in Gefahr bringt und sich damit selbst in ein kleines moralisches Dilemma manövriert, geht die Mutter den Fall eher pragmatisch an. Doch egal auf wie unterschiedliche Art und Weise die beiden Elternteile versuchen, den Fall aufzuklären, geben sie alles, um ihre Tochter und ihre gesamte Zukunft zu schützen. Doch wie weit sind die beiden tatsächlich bereit zu gehen? Eine packende Geschichte über Familie und Freundschaft, Lügen und Loyalität, die nicht nur die Protagonisten an ihre moralischen Grenzen treibt, sondern auch die Leser. Was sind wir tatsächlich bereit, für unsere Liebsten zu tun?

Erzählt wird die Geschichte aus drei Sichten, aus der des Vaters Adam, aus der der Tochter Stella und abschließend aus der der Mutter Ulrika.

Die Geschichte switcht immer zwischen aktuellen Ereignissen und Rückblenden aus Stellas Vergangenheit hin und her, wodurch man als Leser sehr viel über die Beziehung zwischen Vater und Tochter erfährt. Während die Beziehung am Anfang fast schon perfekt wirkt, so stellt man im Laufe von Adams Erzählungen fest, dass die Verbindung zwischen den beiden irgendwann Risse bekommt. Ich muss gestehen, mit der Zeit langweilten mich Adams Erzählungen ein bisschen. Ich hatte das Gefühl, dass sich der Autor hier zu sehr in der Vergangenheit verliert. Natürlich ist gerade Adams Sicht der Dinge wichtig, um die Dynamik der Familie zu verstehen, doch meinem Empfinden nach hätte sein Teil um einiges kürzer ausfallen können, insbesondere wenn man bedenkt, dass dieser fast die Hälfte des Buches aus macht, während die Erzählungen von Stella und Ulrika nur etwa jeweils einen Viertel des Buches einnehmen. Nichtsdestotrotz hat man als Leser die Gelegenheit, gerade während Adams Part, die Verbindung zwischen Vater und Tochter zu verstehen und sogar ein wenig zu analysieren.

Anschließend an Adams Part kommt dann endlich Stella zu Wort. Gerade ihren Teil fand ich besonderes spannend. Ist man zuvor auf der gemeinsamen Suche mit Adam nach der Wahrheit völlig im Dunkeln getappt, so merkt man recht schnell, dass irgendwie nichts so richtig zusammenpasst. Während man Stella zuvor nur durch die Erzählungen des Vaters kennenlernt, so liegt nun der Fokus auf Stella selbst. Man könnte Stella als aggressiv bezeichnen, sie schert sich kaum um irgendwelche Regeln, sondern liebt es vielmehr, sie zu brechen. Das Verhältnis zu ihren Eltern ist alles andere als optimal, vieles liegt im Argen, hinzukommt, dass sie ihr Leben als wahnsinnig langweilig empfinden. Nie passiert etwas, sagt sie immer zu sich selbst und zu anderen. Sie ist schnell gelangweilt und sehnt sich ständig nach neuen Abenteuern. Während man in die Erzählungen von Stella eintaucht, wird einem mit der Zeit ziemlich schnell klar, dass Stella nicht das Mädchen ist, für das sie ihre Eltern immer gehalten haben und die Frage, ob Stella wirklich einen Mord begehen könnte, drängt sich immer mehr in den Vordergrund.

Während sich einige Zweifel verflüchtigen, kommen neue hinzu und man lernt Stella auf eine völlig andere Art und Weise kennen. Dabei verändert sich natürlich auch die Atmosphäre der Erzählung und des gesamten Buches, was mir wahnsinnig gut gefallen hat. Auch wenn Stella nicht gerade zu meiner Lieblingsprotagonistin wurde, so habe ich doch regelrecht mit ihr mitgefühlt.

Zum Schluss kommt dann endlich Ulrika, Mutter und Rechtsanwältin, zu Wort, für mich definitiv mit unter der spannendste Teil des Buches. Endlich kommen wir zu der Verhandlung und nähern uns der Wahrheitsfindung. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen und die anfängliche Langeweile, die teilweise während Adams Erzählungen aufgekommen war, war vollends verschwunden. Es fühlte sich an, wie ein Wettlauf gegen die Zeit, mit all den Zeugeneinvernahmen und der Beweissicherung. Auch hier springt die Geschichte zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, sodass man als Leser immer wieder ein neues Puzzleteil vor die Füße geworfen bekommt, das eine Lüge nach der anderen Stück für Stück aufdeckt.

Besonders gut gefallen hat mir dabei die Tatsache, dass der Autor es schafft, mit nur wenigen, knackigen, fast schon emotionslosen Worten für eine immense Spannung und doch eine gewisse kühle Emotionalität zu sorgen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche, verzichtet auf blumige Um- oder Beschreibungen. Der Schreibstil wirkt sehr nüchtern, was wahnsinnig gut zum Setting und auch zur Geschichte passt, aber irgendwie dennoch für die bereits oben erwähnte kühle Emotionalität sorgt. Ich mag es wahnsinnig gerne, wenn ich moralisch herausgefordert werde; wenn ich selbst zum Nachdenken angeregt und vor die Frage gestellt werde: wie würde ich reagieren? Was würde ich tun?

Auch mit der Auflösung der Geschichte war ich sehr zufrieden. Das Ende hat es mir ganz besonders angetan. Zwar hat das Ende mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen was den Überraschungseffekt angeht, ein wenig überrascht hat es mich aber dennoch und gepasst hat es zu der Geschichte – zumindest meiner Meinung nach – wie die Faust aufs Auge.

LOHNT SICH DAS BUCH?

Mich hat das Buch wirklich überrascht. Die Lüge ist ein spannender Thriller mit interessanten Figuren und jede Menge Tiefgang. Es ist eine ereignisreiche und aufregende Geschichte über Familie und Freundschaft auf der Suche nach der Wahrheit und die Frage, wie weit man für die Menschen gehen würde, die einem am nächsten stehe. Von mir bekommt das Buch eine klare Leseempfehlung, trotz der anfänglich etwas aufkommenden Langweile.


INFOS ZUM BUCH

Autor*in: Mattias Edvardsson
Titel: Die Lüge
Originaltitel: En helt vanlig familj
Verlag: Blanvalet
Seiten: 560
Erscheinungsdatum: 17. August 2020
Preis: 10,00 [D] | 10,30 [A] | CHF 14,50
Buch beim Verlag: KLICK


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